Schwerkraft ? Gibt’s nicht !

Parkour – Sportart ohne Grenzen

Von Dominik Stallein

Quelle: Isar-Loisachbote/Geretsrieder Merkur, Donnerstag, 18. Februar 2016 | Nr. 40

Felix Hempel sprintet auf die Hallenwand zu, ist nur noch wenige Schritte von ihr entfernt. Statt abzubremsen, macht er einen großen Satz und läuft – zumindest sieht es kurz so aus – senkrecht an der Wand nach oben. Dann dreht er sich um die eigene Achse und landet nach einem fulminanten Rückwärtssalto sicher auf beiden Beinen. Als wäre das nicht genug, stürmt der 18-Jährige nun auf zwei Hindernisse zu, jeweils knapp einen Meter hoch. Kurz davor hechtet der junge Sportler nach vorne und gleitet katzengewandt über beide hinweg.

Was aussieht wie eine Szene aus einem Actionfilm – James Bonds Abenteuer „Casino Royale“ begann mit einem derartigen Hindernislauf – ist für die Mitglieder der Parkour-Mannschaft des TSV Wolfratshausen Routine. Jeden Dienstagabend treffen sich die knapp 15 jungen Männer in der Turnhalle der Wolfratshauser Realschule und probieren neue Tricks und Stunts aus. Einen festen Trainingsplan gibt es nicht. Die 14- bis 20-jährigen Sportler „probieren einfach aus, worauf wir Lust haben“, erklärt Philipp Sowade. Der 20-Jährige leitet die TSV-Gruppe.

Die Disziplin, der die Jugendlichen in der Halle nachgehen nennt sich Freerunning. Das Besondere an dieser Form des Parkours ist, dass das Repertoire der Bewegungen keine Grenzen kennt, es wird ständig durch die Kreativität der Anhänger erweitert. „Man kann seine Grenzen austesten“, sagt Sowade. Anregungen holen sich die Jugendlichen von anderen Sportarten.  Einige der Mitglieder waren schon in der Turnabteilung des TSV Wolfratshausen aktiv, andere tanzen Breakdance, manche betreiben Kampfsport. Auch Quereinsteiger sind jederzeit willkommen. „Denen, die ganz neu kommen, zeigen wir erst einmal die Grundlagen“, sagt Sowade. Dazu gehört die richtige Absprungtechnik oder das gefahrlose Abrollen auf dem Boden. „Danach können sie sich aber schnell an die schwierigeren Bewe-gungen und Tricks heranwagen.“ Nur, wenn sie all diese Fähigkeiten beherrschen, können die Jugendlichen ihrem actionreichen Hobby verletzungsfrei nachgehen. Um in der Bewegungsfreiheit nicht eingeschränkt zu sein, tragen die Teilnehmer nämlich keine Schutzkleidung. Verletzungen gibt es dennoch selten. „Das Schlimmste, was ich bisher mitbekommen habe, war eine Stauchung“, erinnert sich der erfahrene Parkourläufer Sowade. „Es passiert wirklich nur sehr selten etwas.“ Das liegt daran, dass die Sportart nicht ganz so risikoreich ist, wie oftmals angenommen wird. „Wir versuchen bei unseren Tricks nicht, in die größtmögliche Gefahr zu geraten und sie zu überwinden.“ Im Parkour gehe es stattdessen viel mehr darum, seine Grenzen zu kennen und mit Körperbeherrschung schwierige Hindernisse zu meistern. „Niemand wird dafür gefeiert, dass er Knochenbrüche oder andere Verletzungen riskiert“, versichert der 20-Jährige. Ein beliebter Trick, den nahezu alle Parkourläufer beherrschen, ist der so genannte Wall-Run. Hierfür laufen die Sportler auf ein Hindernis, das an der Wand steht, zu. Anstatt es einfach zu überspringen, laufen sie mit sicheren Schritten waagrecht an der Wand entlang und gelangen so über den Kasten. „Das sieht zwar außergewöhnlich aus, dabei kann aber nicht wirklich viel passieren“, erklärt der Gruppenleiter.

Parkour wurde vor allem durch spektakuläre Videos von jungen Sportlern bekannt, die durch Fußgängerzonen, über Baustellen und U-Bahnhöfe rennen und sämtliche Hindernisse waghalsig überspringen. Die meisten Wolfratshauser Parkourläufer beschränken sich jedoch auf das Training in der Halle. „Wenn man unsere Tricks in der Öffentlichkeit ausprobiert, hat man häufig Probleme mit Grundstücksbesitzern“, erläutert Sowade. Gelegentlich gebe es jedoch die Möglichkeit, die Bewegungen und Stunts – natürlich mit einer vorher eingeholten Genehmigung – auf Baustellen oder Grundstücken zu testen. „Solche Möglichkeiten nehmen wir natürlich gerne an.“

 

STICHWORT: Parkour

Parkour bezeichnet eine Fortbewegungsart, deren Ziel es ist, nur mit den Fähigkeiten des eigenen Körpers möglichst effizient von Punkt A zu Punkt B zu gelangen. Der Parkourläufer bestimmt seinen eigenen Weg durch den urbanen oder natürlichen Raum – auf eine andere Weise als von Architektur und Kultur vorgegeben. Es versucht, sich in den Weg stellende Hindernisse durch die Kombination verschiedener Bewegungen so effizient wie möglich zu überwinden. Bewegungsfluss und -kontrolle stehen dabei im Vordergrund. Parkour wird deshalb auch als „Kunst der effizienten Fortbewegung“ bezeichnet. Parkour ist nicht wettbewerbsfähig. Es kann auf einem Hindernisparcours durchgeführt werden oder wird in der Regel in einer kreativen Neuinterpretation eines urbanen Raumes praktiziert. Parkour enthält das „Sehen“ der Umwelt in einer neuen Art und Weise und die Vorstellung der Möglichkeiten für die Bewegung um sie herum. Entwickelt haben Parkour Raymond Belle, sein Sohn David Belle und andere in den späten 1980er Jahren. Populär wurde der Sport in den späten 1990er Jahren und 2000er Jahren durch Spiel- und Dokumentarfilme sowie durch die Werbung.

QUELLE: WIKIPEDIA